Nachdem wir im letzten Beitrag unserer Miniserie die Primär-, Sekundär- und Tertiärfarben beleuchtet haben, widmen wir uns heute den Farbkreisen. Sicher ist den meisten unter Euch bereits irgendein oder mehrere Exemplare davon begegnet. Vielleicht habt Ihr Euch aber nie weiter damit beschäftigt, wozu die Farbkreise überhaupt gut sind? Oder ist es möglicherweise einfach eine Weile her und Ihr könnt eine kleine Auffrischung gebrauchen?
Wir geben Euch einen kurzen Überblick und ordnen die Farben für Euch auf dem Farbkreis an. Außerdem finden wir heraus, was einer der berühmtesten deutschen Dichter mit der Farbtheorie zu tun hat und wofür man so einen Farbkreis gebrauchen kann.
Was ist ein Farbkreis?
Ein Farbkreis dient als Orientierungssystem. Durch eine systematische Anordnung der Farben sehen wir auf einen Blick, welchen Zusammenhang die Farben untereinander haben. Eventuell ist Euch der Farbkreis auch irgendwann unter den Begriffen Farbrad oder Farbtonkreis begegnet.
In einem solchen Orientierungssystem können Farbtöne nach künstlerischen, aber auch nach technischen, physikalischen oder psychologischen Aspekten betrachtet werden. Es gibt daher nicht den einen allgemeingültigen Farbkreis. In der Industrie und im Design dienen sie vor allem dazu, Farben mit besonders geringen Abweichungen reproduzierbar zu machen.
Wir stellen Euch heute die Farbkreise dreier Autoren vor und ordnen für Euch die Farbgruppen aus unserem Beitrag zu reinen und gemischten Farben darin ein.
Die Primärfarben sind reine Farben, die nicht aus anderen Farben gemischt werden können. Sie selbst ermöglichen aber die Mischung aller sekundären und tertiären Farben. Die Anordnung auf dem Farbrad sieht so aus.
Die Farbenlehre nach Goethe und sein Farbkreis
Habt Ihr das schon gewusst? Johann Wolfgang von Goethe war nicht nur einer der berühmtesten deutschen Dichter. Er hat sich auch intensiv mit Naturphänomenen beschäftigt und dabei sogar seine eigene Farbenlehre entwickelt. Das Thema hatte für Goethe eine besondere Bedeutung. Seine Untersuchung der Wirkung von Farben auf das Gemüt des Betrachters hat bis heute Einfluss auf die Farbpsychologie.
Goethes Farbtheorie baut auf dem Gegensatz von Hell und Dunkel auf. Farben waren für den Dichter ein Phänomen zwischen Licht (Gelb) und Finsternis (Blau).
In seinem Farbkreis bildet er die Grundfarben Gelb, Rot und Blau sowie deren Mischfarben Grün, Orange und Violett ab. Den Farben schreibt er bestimmte Eigenschaften zu.
Am Original von damals hat schon etwas der Zahn der Zeit genagt. Wir haben daher eine kleine Zeitreise angetreten und Goethes Farbkreis auf dem grob gekörnten Luma Aquarellpapier mit Aquarellfarben und wasserverdünnter Acryltusche (Farbe Sepia) nachgestellt.
Goethe, Farbenkreis zur Symbolisierung des menschlichen Geistes- und Seelenlebens (1809)
Public Domain via Wikimedia Commons.
Der Farbkreis nach Johannes Itten
Johannes Itten war Maler und von 1919 bis 1923 auch Kunstpädagoge am Bauhaus Weimar. Dort entwickelte er seinen Farbkreis und untersuchte die Kontraste von Farben. Ittens Farbkreis bezieht sich auf die subtraktive Farbmischung.
Die Primärfarben Rot, Gelb und Blau bilden hier ein mittig positioniertes Dreieck. An dessen Außenseiten sind die drei Sekundärfarben Grün, Orange und Violett ebenfalls in dreieckiger Form angeordnet. Sie sind so platziert, dass direkt erkennbar ist, aus welchen beiden Primärfarben sie entstehen.
Das dadurch entstehende Sechseck ist von einem Kreis eingerahmt. Darauf sind neben den Primär- und Sekundärfarben zusätzlich die sechs Tertiärfarben angeordnet, die aus der Kombination einer Primärfarbe mit einer Sekundärfarbe entstehen.
In Ittens Farbkreis stehen diese Drittfarben genau zwischen den beiden Ausgangsfarben, aus denen sie gemischt wurden. Diese Anordnung der Farben nach Itten ist diejenige, auf die Ihr vermutlich am häufigsten trefft.
Wie schon im Beitrag zu den Primär-, Sekundär- und Tertiärfarben empfehlen wir Euch, zumindest das Farbrad des Itten Farbkreises selbst einmal zu malen. Das ist nicht nur eine gute Übung für das Verständnis von Farbe, sondern es hat durchaus etwas Meditatives.
Der Fokus auf die Farben und die vorgegebene Form sind sehr entspannend.
Hier könnt Ihr Euch die Vorlage für den Farbkreis von Itten zum Ausmalen
herunterladen. (Druckdatei im PDF-Format, DIN A4)
Der Farbkreis nach Harald Küppers
Harald Küppers war ein deutscher Drucktechniker und Dozent. Bereits während seines Ingenieursstudiums in den 1950er Jahren legte er den Grundstein für seine Farblehre, die wir Euch abschließend noch kurz erklären möchten.
Küppers machte es sich zu seiner Lebensaufgabe, eine Farbenlehre zu schaffen, die vom Sehen ausgehend alle Formen der Farbentstehung, Farbmischung und -empfindung erklärt.
Neben dem Sehorgan sind die additive und subtraktive Mischung die Grundlage von Küppers Farbtheorie. Er unterscheidet acht Grundfarben. Diese setzen sich aus den sechs bunten Farben Gelb, Grün, Cyan, Violettblau, Magenta und Orangerot sowie den beiden unbunten Farben Schwarz und Weiß zusammen.
Die bunten Grundfarben gruppiert Küppers in den Ecken eines Sechseck.
Schwarz und Weiß als Unbuntfarben führt er seperat in Abstufungen von hell nach dunkel unter dem Sechseck auf.
Der Farbkreis zur Bestimmung von Farbharmonien
Mit dem Itten Farbkreis oder einem daran orientierten Farbrad könnt Ihr außer den Farbgruppen noch verschiedene Farbschemata ableiten. Bestimmte Kombinationen von Farben erzeugen eine besonders harmonische Wirkung. Es gibt einige grundlegende Harmonien, die sehr hilfreich sind.
Monochromes Farbschema
Obwohl beim monochromen Farbschema mit lediglich einer Farbe gearbeitet wird, gibt es viele Variationsmöglichkeiten.
Um Abwechslung in das Farbschema zu bekommen, könnt Ihr einerseits unterschiedliche Versionen einer Farbe nutzen.
Andererseits erzeugt Ihr mit verschiedenen Tönungen (Mischen mit Weiß), Schattierungen (Mischen mit Schwarz) sowie der Sättigung (Mischen mit Grau oder Wasser bzw. Stärke des Farbauftrags) weitere Nuancen Eurer ausgewählten Farbe.
Wie Ihr seht, entsteht dabei durchaus eine spannende Farbpalette.
Analoges Farbschema
Drei auf dem Farbkreis nebeneinander liegende Farben ergeben das sogenannte analoge Farbschema.
Aufgrund der Ähnlichkeit zueinander wird manchmal eine der drei Farben als dominante Farbe ausgewählt und die anderen beiden als unterstützende Komponenten betrachtet.
Diese Farbkombinationen wirken besonders angenehm auf das menschliche Auge und werden als sehr harmonisch wahrgenommen.
Komplementäres Farbschema
Bei sich auf dem Farbkreis gegenüberliegenden Farben handelt es sich um die sogenannten Komplementärfarben. Die Komplementärfarbe von Orange ist beispielsweise Blau.
Im Zusammenspiel bilden diese Farben einen besonders starken Kontrast und sorgen für Aufmerksamkeit. Aufgrund dieser Eigenschaft findet das komplementäre Farbschema besonders im Marketing sowie in Kunst und Design häufig Anwendung.
Das Farbschema eignet sich sehr gut um Dynamik in die Gestaltung zu bringen.
Triadisches Farbschema
Bei der triadischen Anordnung ergibt die Verbindung der beteiligten Farben ein gleichseitiges Dreieck.
Eine spannende Mischung, doch die Herausforderung hierbei ist, sie am Ende so zu bändigen, dass es nicht zu wild wirkt.
Da die Farben sich wenig ähneln, ist die richtige Balance untereinander wichtig. Beispielsweise könnt Ihr mit Tönungen bzw. Schattierungen für Ausgleich sorgen.
Meistens kommt einer der drei Farben die Hauptrolle zu, während die anderen beiden zum Akzentuieren genutzt werden.
Teilkomplementäres Farbschema
Das teilkomplementäre Schema setzt sich ebenfalls aus drei Farben zusammen. Im Gegensatz zum komplementären Farbschema wird hier nicht die direkte Komplementärfarbe genutzt, sondern ihre beiden benachbarten Farben.
Geht Ihr also von Grün aus, wählt Ihr anstatt der Komplementärfarbe Rot das Rot-Orange und das Rot-Violett für die Kombi aus.
Die Alternative zum komplementären Farbschema ist weniger kontraststark, weshalb die Kombinationen nicht so spannungsgeladen wirken.
Tetradisches Farbschema
Bei der tetradischen Anordnung werden vier Farben kombiniert, die zusammen ein Rechteck bilden. Dabei trifft ein komplementäres Farbenpaar auf ein weiteres.
Die Menge der Farben und ihre gemeinsame Wirkung öffnen die Türen für ein hohes Maß an Lebendigkeit. Es erfordert ein wenig Geschick, die vier Spieler in Balance zu bringen.
Wir zeigen Euch hier eine kraftvolle Variante des tetradischen Schemas. Mit gedämpften Farben könnt Ihr aber auch sehr weiche, zarte Paletten kreieren.
Das sind die wichtigsten Ansätze, mit denen Ihr Euch der Auswahl von Farben nähern könnt. Stellt selbst einige Kombinationen zu den oben beschriebenen Varianten ausgehend von Euren Lieblingsfarben zusammen oder nehmt das, was Euch umgibt unter die Lupe. Welche Farbharmonien begegnen Euch in Kunstwerken, Magazinen, Design oder der Natur? Es gibt viel zu entdecken!
Wir wünschen Euch viel Vergnügen dabei und verraten im Hinblick auf den nächsten Beitrag schon einmal so viel: Wir sehen uns das Zusammenspiel der Farben noch genauer an.